Es schien mir an der Zeit nun endlich mal den Bestseller "Tintenherz" von Cornelia Funke zu lesen. Inzwischen gibt es ja bereits Verfilmungen. Also lieh ich mir frohgemut den ersten Band der Trilogie bei meiner Enkeltochter aus.
Das moderne Kinderbuch im Allgemeinen ist zwar nicht wirklich auf die junge weibliche Leserschaft (wenn wir mal von Hanni und Nanni und dergleichen absehen) abgestimmt, aber gerade im Fantasiebereich gibt es bereits reichlich Heldinnen. Die meiste Kinder- und Jugendliteratur scheint immer noch für: Jungen, Jungen und auch Mädchen! geschrieben zu sein. Wobei es sich doch inzwischen herum gesprochen haben müsste, dass lesehungrige Mädchen, die eigentlichen Konsumentinnen sind. Und sie lesen dankbar alles, ob es sich um Harry Potter oder die „Biss" (dass der Tod euch scheidet)-Romane handelt, natürlich auch die, von Cornelia Funke hervorragend geschriebene Tintenherz - Trilogie. Diese hat zwar eine junge Heldin, der Rest der Figuren und die Handlungen bedient jedoch leider die üblichen Klischees.
Ich bin es jedenfalls Leid (im Kinderbuch) von 90 % Männern zu lesen, egal ob Helden oder Schurken. Ebenso über die Denkungsart gefühlloser Monster und die Ohnmacht und das Unvermögen der normalen Menschen und sogenannten Guten.
Im ersten Teil Tintenherz sehe ich bisher nicht wirklich einen Hoffnungsschimmer, keine Aussicht auf Gerechtigkeit oder gar ein "Happyend". Die Schauplätze sind unerfreulich und gruselig. Da nutzt es mir nicht, wenn das Grauen und der Horror kunstvoll geschildert werden. Es bleibt einfach eine Welt, in der ich mich weder aufhalten, noch die ich mit meiner Energie füttern möchte. Um der Spannung und Dramaturgie willen findet auch wenig Bewegung statt.
Bis Seite 360 hoffte ich noch, dass der Titel „Tintenherz“ ein liebenswertes Geheimnis in sich birgt. Tinte - blauer Fluss in märchenhafter Landschaft, der die Magie aus der Welt der Geschichten und Legenden in die Welt der Menschen trägt.
Stattdessen ist diese Geschichtenwelt mit unglücklichen Menschen und Verbrechern gefüllt. Der schwärzeste Bösewicht gibt dem Buch den Titel - ein Herz schwarz wie Tinte. Die einzige weibliche Hauptfigur ist ein männlich dominiertes Kind, das brav über das Lesen den Fantasiekosmos von allden männlichen Autoren der klassischen Jugendliteratur in sich aufgesogen hat und sich daher in den geschilderten Ungeheuerlichkeiten zu Hause fühlt. Glück bedeutet in der Tintenherzwelt dem Grauen und dem Schrecken zu entkommen. Die magischen Wesen, die unfreiwillig aus der Bücherwelt herausgelesen wurden, sind per se mit Vorsicht zu genießen. Selbst Feen sind unberechenbar und boshaft.
Die Frauen jedoch, wenn sie denn vorkommen, spielen besonders merkwürdige Rollen in diesem ersten Teil. Sie sind schrullig oder werden im Sklavenstatus gehalten und ständig verängstigt und bedroht.
Ich möchte aber der Autorin zu Gute halten, dass sie wenigstens die Thüringer Wald-Märchen-Bewohner kennt, wie die Moosweibchen und die Glasleute. Und dass ihr der generelle Müttermangel in der Literatur aufgefallen ist.
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