Alle vier Jahre bekommen wir einen Tag um die Zeit auszugleichen, um Kalender und Empfinden zu synchronisieren, um nicht hinter der kosmischen Uhr hinterher zu stolpern.
Diejenigen, die an diesem Schalttag Geburtstag haben, sind etwas Besonderes oder sie fühlen sich vielleicht ein wenig von der Zeit betrogen. Denn nur alle vier Jahre taucht eine vierundzwanzig Stundenspanne aus einem parallelen Zeituniversum auf, um danach wieder unbetrauert zu entschwinden. Der Ausgleich für das unvollkommen festgelegte Raster, in dem natürliche Verläufe bemüht zerregelt werden. Und nie stimmt der Jahresablauf so ganz. Eine kleine unkorrigierte Verschiebung ist immer noch vorhanden, die sich geheimnisvoll summiert und von der allgemeinen Wahrnehmung ignoriert wird.
Wir unterwerfen uns, gut abgerichtet, dem seit langem festgelegten Takt und füllen mit unserem Leben Stunden, Tage, Wochen nach vorgeschriebenen Muster aus. Die allen auferlegte Tyrannei des Kalenders ist nicht nur an diesem Schalttag spürbar.
Dabei ist die Zeit ein so wunderbarer und individueller Zustand, ein vollkommenes, eigenes Empfindungsmedium. Kaum etwas ist mit den Gefühlen Anderer weniger im Gleichklang als das Zeitgefühl.
Heute, in diesem Moment, befinde ich mich gerade auf einer dieser, gefühlt arkadischen, Insel, die unbeachtet von der Welt, durch Zeit und Raum treibt und auf der es Weile und Muße im Überfluss gibt….
… ich sehe zur Uhr und stelle fest der Vormittag ist zerflossen in hochkonzentrierten Gedanken, dem Schnüren kleiner Wortpakete und träumenden Blicken aus dem Fenster, hinter dem ein trüber Tag liegt … gleichmäßig grau und terminlos ruhig…
29 Februar 2012
17 Februar 2012
Metapher
Da das Blogschreiben bei mir gerade
brachliegt, greife ich mal zu einem alten Entwurf, den ich beim
Aufräumen gefunden habe. Er stammt aus einer Zeit, als ich beim morgendlichen fünfzig Worte schreiben, feststellte:
Metaphern passen nicht immer oder sind manchmal schlicht weg
falsch...
Kennt jemand noch den kratzigen Song aus den
Anfängen der Achtziger: Die weißen Tauben sind müde? Und weiter ging es mit: ... sie fliegen
lange schon nicht mehr, sie haben viel zu schwere Flügel und ihre
Schnäbel sind fast leer - Jedoch
die Falken fliegen weiter, sie sind so stark wie nie vorher und
ihre Flügel werden breiter und täglich kommen immer mehr...
Dieser schlichte und kulturkritisch -
poetische Text, versehen mit einer noch schlichteren, eingängigen
Melodie, traf damals den Nerv der Zeit und auch heute scheint er irgendwie
immer noch passend.
Es ist dieser Ausdruck einer gewisse Endzeitstimmung, die immer mal aufflammt, eine Metapher zum Niedergang einer friedvollen Weltgesellschaft, welche jedoch, wenn wir es genau nehmen, zu keiner der patriarchösen Zeiten je wirklich existiert hat. Der Text ist so was, wie die Beschreibung des aussichtslos scheinenden Kampfes gegen das Geflecht der kapitalistisch - militaristischen Kräfte: Die übermächtig daher kommenden Falken nehmen den harmlosen, friedlichen Tauben den Lebensraum und die weiße Friedenstaube ist zum Sterben verurteilt.
Es ist dieser Ausdruck einer gewisse Endzeitstimmung, die immer mal aufflammt, eine Metapher zum Niedergang einer friedvollen Weltgesellschaft, welche jedoch, wenn wir es genau nehmen, zu keiner der patriarchösen Zeiten je wirklich existiert hat. Der Text ist so was, wie die Beschreibung des aussichtslos scheinenden Kampfes gegen das Geflecht der kapitalistisch - militaristischen Kräfte: Die übermächtig daher kommenden Falken nehmen den harmlosen, friedlichen Tauben den Lebensraum und die weiße Friedenstaube ist zum Sterben verurteilt.
Ein bestechendes Sinnbild bestimmter politischer
Verhältnisse. Aber... ein falsches Bild!
Als dieses Lied einst veröffentlicht wurde, waren es eher die
Falken und die anderen Greifvögel, die in Gefahr waren vernichtet zu
werden. Vom Aussterben bedroht durch hemmungslose menschliche
Ausbreitung und durch die typische gezielte Vernichtung bestimmter
Arten.
Das Anlegen der großräumigen, landwirtschaftlichen
Nutzflächen zerstörte all die natürlichen, wilden Bedingungen,
die eine Greifvogelpopulation braucht um ihre Jungen aufzuziehen und
die Art zu erhalten. Menschliche Kultur zersiedelt natürliche Lebensräume und
fördert oder erhält nur die Tierarten, die erst einmal in keine Konkurrenz zum Menschen
treten. Und so haben es eher Luchs und Wolf und Bär schwer einen artgerechten Lebensraum zu finden. Wildtiere, ob klein oder groß, Raubtiere, Greifvögel werden seit einiger Zeit erst wieder geduldet und auch unter Schutz gestellt, um als Arten in unseren Breiten erhalten zu bleiben.
Ja... und so sind es die Tauben, die sich bis jetzt besser behauptet haben. Sie ernähren sich üppigst von den Abfällen
der menschlichen Gesellschaft. Sie werden gefüttert und nisten fast überall unbehelligt in menschlichen Siedlungen, so dass sie sich
explosionsartig vermehren können in der von Menschen geschaffenen
Zivilisation. Vielleicht hätte dieser Text
besser so lauten sollen:
Die wilden Falken sind müde,
sie fliegen lange schon nicht mehr
sie haben viel zu wenig Freiheit
und ihre Schnäbel sind längst leer.
Jedoch die Tauben kreisen weiter,
sie sind jetzt stark wie nie vorher
und ihr Welt wird immer breiter
und täglich kommen immer mehr!
Nur wilde Falken fliegen nicht mehr...
Und die Grundaussage wäre mit diesem Refrain, so
finde ich, weitaus zutreffender.
Labels:
Erinnerung,
Fragen,
Gesellschaft,
Krafttier,
Landschaft,
Mitternachtsgedanken,
Musik,
Natur,
TaubeundFalke,
Zeit,
Zitat
04 Februar 2012
Erlösung
Das bindende Grundkonzept der
monotheistisch Religionen fußt auf einem geschickt angelegten Schuld –
Bekenntnis - Sühne – Vergebung – Konzept. Und je nach Zeit und
Mainstream wurde ein bestimmter Teil bevorzugt. Heute sind wir
sozusagen bei der Vergebung angekommen. Im Prinzip gehen wir doch
davon aus, dass der mündige und ethisch handelnde Mensch sogar den
unzureichenden Sündenkatalog der Zehn Gebote hinter sich gelassen
und meist individuell diese Gebote so modifiziert hat, dass es sich
damit leben lässt. Kulturelle Absprachen aber auch bestimmte Tabus,
gestützt auf ein verinnerlichtes Rechtssystem, lassen uns die nötige
Bewegungsfreiheit im Alltag außerhalb der alttestamentarischen Vorschriften.
Zudem lassen sich zu jedem der zehn
Gebote jede Menge Fragen stellen. Zum Beispiel wie: betrifft das Tötungsverbot
auch Tiere und Pflanzen oder nur Menschen oder nur bestimmte Menschen
oder gibt es einfach nur privilegierte Menschen, die den anderen
sagen, wann das Gebot gilt und wann man es vernachlässigen kann?
Denn seit der Steintafeln waren weder vor den Geboten noch vor Gott
alle Menschen gleich. Wobei das Weib noch mal extra außen vor war
bei der Sache mit dem Menschsein.
Als Kind saß ich Sonntags in der
Kirche und hörte mir die gehirnwäscheartigen Wiederholungen an. Es
waren derer viele und ein Popanz wurde besonders sorgfältig
aufgebaut und auf die schlichten Gemüter losgelassen um für ein
kollektives schlechtes Gewissen zu sorgen: Christus starb am Kreuz
für die Erlösung von den Sünden der Welt.
Anfangs fand ich das Leiden des Herrn
zwar noch bedauerlich - doch was gingen mich die Sünden der Menschen vor
2000 Jahren an? Die Erlösung war erfolgt und damit hatte sich die Sache für mich erledigt. Es dauerte ein zeitlang bis mir klar gemacht wurde,
dass der Mensch per se sündig ist, mit einer Erbsünde geboren wird
und immer und ständig Schuld auf sich lädt. Selbst so ein kleines
harmloses Mädchen vom Dorf in den Fünfzigern. Das Sündenkonto der Menschheit war damals lediglich auf 0,0 gesetzt worden und ab da musste ein JedeR für sich selbst sorgen um keine Sündenschuld mehr anzuhäufen. Ich kam also aus der
Nummer mit der Sünde nicht mehr raus.
Die Sünde ist Ungehorsam gegen Gott
und schließt alles ein, auch die Gedanken und Gefühle (entsprechendes, wenn auch harmloseres Sünden-Beispiel: ...was für ein Blödmann, wie ich den hasse!). Wenn die
Religionsbetreiber es geschafft haben, die dazu nötige
Selbstkontrolle bei den Gläubigen auszulösen, ist irgendwann nicht nur mein
Denken und Fühlen, sondern der gesamte eigene Körper mein Feind. Der Mensch wird zur Marionette, an deren Fäden jeder ziehen kann. Es
dauerte lange bis ich die Mechanismen wahrgenommen, durchblickt und
mich davon erlöst habe.
Diese Haltung der präventiven Schuld
prägt immer noch unsere Kultur und Frauen haben darin so was wie
eine epigenetische Neigung zum „sich Schuldig fühlen“ entwickelt. Und auch ihr
Hoffen auf den (persönlichen) Erlöser ist ungebrochen. Von der permanenten Schuld des
Ungehorsams gegen einen Vatergott und dem Wahn einen Erlöser zu
benötigen, können wir uns eigentlich nur selbst erlösen.
Labels:
Alltag,
Denken,
Frauen,
Gesellschaft,
Kindheit,
Reflektieren,
Religion,
Spiritualität,
Zitat
Abonnieren
Posts (Atom)